Näh- und Upcycling-Projekt Frühjahr 2019 mit Schülerinnen der Michael-Ende-Schule Raubling
Ein Projekt von "Soziale Stadt Raubling", "Von Herz zu Herz e.V.", "LAG Mangfall Inntal" und "Michael-Ende-Schule Raubling"
Näh Deine eigene Tasche - in Deinem eigenen Design. Wir nennen diese Taschen „Bannschen“ (=
Banner + Taschen) - also Taschen, die aus alten Werbebannern genäht werden. Die Werbebanner landen normalerweise auf dem Müll. Wir machen was Neues draus! Unter Begleitung der nähbegeisterten Designerin Franziska Wanger aus Raubling lernst Du, mit Kreativität (D)eine eigene Tasche zu designen und zu nähen. Die Tasche wird durch Deine Ideen zu etwas ganz Besonderem. Teilnahme-„Voraussetzung“:Neugierde und Lust auf Nähen
Bannschen
Projektbericht von Franziska Wanger
In allen Fabvarianten blicken Sie uns an jedem noch so
abgelegenen Ort an: Werbebanner, für die Unternehmen, Dienstleister und
Eventorganistoren viele hundert Euro bezahlen, um ihre Angebote und
Veranstaltungen zu bewerben. Doch was geschieht mit den Plakaten, nachdem sie
ihren Zweck erfüllt haben? In der Regel landen sie auf dem Sperrmüll und werden
dort ohne weiteren Nutzen verbrannt. Ein wertvoller Rohstoff, der im Sinne des
Umweltschutzes noch für viele Einsatzbereiche weiter verwendet werden könnte.
Dieser Gedanke kam auch Sabine Baumgartner von der Sozialen Stadt Raubling, als
sie eines Tages durch Rosenheim fuhr und bescherte ihr eine Idee für ein
richtig tolles Projekt: „Wir nähen Taschen aus den alten Bannern.“ Sie stellte
einen Förderantrag bei der LAG, organisierte ausrangierte Werbebanner aus der
Tourismusverwaltung Kolbermoor und fragte mich, ob ich Lust hätte, die
Nähgruppe zu (beg-)leiten. Als Produktdesignerin mit reichlich Näherfahrung
passte das Angebot genau in mein Portfolio. Mit etwas Mut zum Neuen nähte ich
drei Prototypen, um ausreichend Knowhow zu sammeln. Mit den Mustertaschen
wendeten wir uns an Sabine Konrad von der Ganztagsbetreuung der
Michael-Ende-Schule in Raubling, um dort ein paar Kinder zum Mitmachen zu
gewinnen. Sechs Mädchen sowie eine Schneiderin aus der Nachmittagsbetreuung
waren bereits beim ersten Kennenlernen hellauf begeistert.
Beim ersten Nähtreffen waren die Kinder Feuer und Flamme für ihre ersten
Nähversuche. Allerdings kam es an dem Tag noch nicht dazu, da wir zunächst die
ausrangierten Werbebanner großflächig auslegen mussten. Die Teilnehmerinnen
sollten sich auf den ausrangierten Bannern Farben und Muster aussuchen, die sie
verwenden wollten, um ihre Taschen daraus zu fertigen. Manche Mädchen wussten
sofort, welche Farb- und Gestaltungsbereiche ihnen auf den Bannern gefielen.
Andere überlegten reiflich, bis sie die Schere ansetzten. Mit an meiner Seite
war von Anfang an Julia Hefter aus der Ganztagsbetreuung der Michael-Ende-Schule.
Sie ist gelernte Schneiderin und damit prädestiniert, in einem solchen Angebot
mitzuwirken. Sie unterstützte die Teilnehmerinnen schon am ersten Tag
tatkräftig beim Ausschneiden der riesigen, unhandlichen Materialien. Wir
benötigten fast die gesamte Bodenfläche im Bürgerhaus der Sozialen Stadt
Raubling, um alle Banner auslegen und ansprechende Stücke ausschneiden zu
können. Nachdem sich alle Kinder ihre Wunschteile aus den Bannern
ausgeschnitten hatten, sollten sie die Schnittvorlagen anzeichnen, welche wir
benötigten, um daraus später die Taschen zu nähen. Auch das war im ersten
Versuch nicht einfach. Doch mit etwas Mut und Übung gelang es allen, ihre
Schnitteile anzufertigen.
Beim nächsten Treffen lernte die Teilnehmerinnen, die Nähmaschinen zu bedienen.
Da die Maschinen allesamt aus der Bevölkerung für die Nähgruppe „Nähherzen“
gespendet wurden, waren alle Modelle unterschiedlich. Jedes Kind musste also
auf einer ganz individuellen Nähmaschine lernen, zu nähen. Auf Probestücken
konnten sie hier vom allerersten Stich an immer experimentierfreudiger werden
und lernten dadurch den Umgang mit den Geräten. Als es dann an die erste Naht
an der Tasche ging, waren einige aufgeregt oder sogar besorgt, sie könnten
etwas kaputt machen. Doch Julia und ich trauten es den Kindern zu und ließen
sie einfach machen. Dass eine Nähmaschine aber hier oder da auch mal zwickt und
zwackt, gehört einfach dazu. Sich daraus nicht aus der Ruhe bringen zu lassen,
war Teil des Lernprozesses. Im Lauf der einzelnen Nähaufgaben, die die Mädchen
erledigen mussten, wurden sie immer versierter und damit sicherer im Umgang mit
Material und Maschine. Hin und wieder tauchten Herausforderungen auf, bei denen
Julia und ich den Kids halfen. Den größten Teil jedoch konnten alle Kinder
selbst nähen.
Bei einem Treffen fragte ich eine Teilnehmerin, wie es ihr mittlerweile beim
Nähen ginge. Sie antwortete mir, dass sie sich sehr freute, denn sie habe in
der Zwischenzeit sogar einer Mitschülerin im regulären Handarbeitsunterricht an
der Nähmaschine helfen können. Das machte sie sehr stolz.
An einem anderen Tag war eine Aufgabe, an den Taschen etwas
abzumessen, um einen innenliegenden Futterstoff passgenau für die jeweiligen
Werkstücke zuschneiden zu können. Ich bat eine Teilnehmerin, diese Aufgabe des
Abmessens für alle Taschen zu übernehmen. Sie lehnte die Aufgabe ab, da man ihr
im Regelunterricht vermittelt hatte, dass Rechnen nicht ihre Stärke sei. Sie
traute sich selbst nicht zu, die Aufgabe erledigen zu können. Daraufhin machte
ich ihr ein Angebot: „Was hältst Du davon, es einfach mal zu versuchen. Falls
Du beim Tun bemerkst, dass es nicht geht, kannst Du mir jederzeit bescheid
geben. Ich komm dann, um Dir zu helfen oder ein anderes Kind übernimmt die
Aufgabe, wenn Du nicht weiterkommst. Wäre das für Dich ok?“ Sie stimmte zu und
wagte sich heran. Obwohl sie an der ein oder anderen Stelle haderte, traute sie
sich, weiterzumachen und schaffte es am Ende, für alle Taschen die richtigen
Maße herauszufinden. Für mich war diese Situation ein wunderbarer Beweis dafür,
wie wertvoll es ist, Kindern beim Lernen einfach Zeit geben zu können, damit
sie frei von Druck und Stress herausfinden können, wie ihnen etwas gelingen
kann. Für sie Schülerin selbst war es ein Erlebnis, welches sie zum Strahlen
brachte und Mut für weitere Aufgaben gab.
Die Mädchen hatten während des gesamten Kursverlaufs über 11
Treffen hinweg große Freude dran, an ihren Taschen zu nähen. Dabei wurde ihnen
während der 2 Kursstunden nie langweilig. Im Gegenteil: sie merkten überhaupt
nicht, wie die Zeit beim kreativ sein, nähen und gestalten verging. Dank der
Unterstützung von Julia Hefter, die mit ihrem Profiwissen aus der
Schneiderarbeit immer wieder gute Impulse gab und mit unterstützender Hand
beiseite Stand.
In dem Projekt blickten wir auch immer wieder über den Tellerrand und
überlegten, wie das Material entstand, wie viele Kilometer es bereits auf dem
Buckel hatte, welche Rohstoffe darin steckten und wie sehr wir dieses Material
wertschätzen, indem wir es weiterverwenden.
Bei unserem Letzten Treffen verabredeten wir uns zu einem
Fotoshooting. Sabine Konrad von der Ganztagsbetreuung machte mit ihrem Können
als gelernte Fotografin bezaubernde Bilder von den Mädchen mit ihren
selbstgenähten Taschen. So werden die Teilnehmerinnen immer eine Erinnerung an
ihre erste selbstgenähte Tasche haben, die nicht nur individuell und super
schick ist, sondern zudem auch noch der Umwelt etwas Gutes tut. Denn wie schade
wäre es, wenn all diese wertvollen Materialen auf dem Müll landen würden.
Die Banner-Taschen - also Bannschen – der Kinder sind
wirklich einzigartig geworden. Jedes Stück ist ein Unikat und trägt die
Handschrift der einzelnen Schülerin. Sie haben ihre Werke mit Hingabe und
Herzblut gefertigt. Eine echte Handarbeit, die im Laden oder auf einem
Künstlermarkt auch noch viel Geld kosten würde. Zurzeit tragen die Schülerinnen
ihre Taschen mit ganzem Stolz als Schultaschen. Vielleicht landet die eine oder
andere Tasche künftig auch mal als Badetasche am See.
Ich freue mich, dass ich gemeinsam mit meinen Kolleginnen
aus der Sozialen Stadt Raubling und aus der Ganztagsbetreuung dieses
nachhaltige Projekt realisieren konnte.
Besonders dankbar bin ich zudem der LAG, die mit ihrer
Zustimmung zum Förderantrag das Projekt überhaupt finanziell möglich gemacht
hat.
Vielen Dank allen Beteiligten für die Initiative, für die
Unterstützung und für die Zusammenarbeit.
Und im kommenden Herbst startet bereits die nächste
LAG-finanzierte Nähgruppe. Dann heißt es „Upcycling – Neues Styling für alte Klamotten.“